09|25 WIR GEWINNEN 50:50
Plädoyer für Parität
Wenn Frauen Parität in der Politik fordern, ist das eigentlich Quatsch! Warum sollte eine Mehrheit wollen, dass sie genauso stark repräsentiert wird, wie eine Minderheit? Denn genauso ist es. Das Statistische Bundesamt hat von 1970 bis 2023 jedes Jahr dargelegt, wie viele Männer und Frauen in der Bundesrepublik Deutschland leben. Und in jedem Jahr waren die Frauen in der Überzahl. Will man also, dass die Politik ein Spiegel der Gesellschaft ist, müsste ein Großteil der Männer schleunigst ihre Plätze räumen. Doch so maßlos sind die Frauen nicht. Sie wollen nicht die Mehrheit, sie wollen Parität. Das kommt aus dem lateinischen „paritas“ und bedeutet „Gleichheit“ „gleich stark“.
„Eine gute Sache!“, finden alle – zumindest theoretisch. Doch in der Praxis bleibt es dann doch eher ein Lippenbekenntnis. Schon Elisabeth Selbert wusste, dass manche Dinge erst im Gesetz festgeschrieben werden müssen, damit sie ihre Wirkung entfalten und eine Veränderung in der Gesellschaft bewirken können. 1920 kritisierte sie auf der ersten Reichsfrauenkonferenz: „dass wir zwar heute die Gleichberechtigung für unsere Frauen haben, dass aber diese Gleichberechtigung immer noch eine rein papierne ist.“ So kämpfte sie nach Ende des Zweiten Weltkrieges erfolgreich dafür, dass die Gleichberechtigung von Frauen und Männer ins Grundgesetz aufgenommen wurde.
Somit können sich im Grunde all diejenigen, die sich für ein Gesetz starkmachen, dass Parität in der Politik vorschreibt, als Selberts Nachfolgerinnen und Nachfolger betrachten, die ihre Arbeit fortsetzen. Doch sie haben es nicht leicht. So wurde 2022 das Paritätsgesetz, das Parteien in Thüringen dazu verpflichtete, ihre Kandidatenlisten für Landtagswahlen abwechselnd mit Männern und Frauen zu besetzen, vom Landesverfassungsgericht wieder gekippt. Die Freiheit der Wahl verlange, dass Wahlen nicht durch Zwang und Druck des Staates durchgeführt würden, hatte der Präsident des Thüringer Verfassungsgerichtshofes, Stefan Kaufmann, die Entscheidung begründet. Auch in Brandenburg fiel das Gesetz 2020 durch, nachdem NPD und AfD geklagt hatten.
Doch die Bemühungen gehen weiter. 2023 starteten die Grünen in Bayern einen weiteren Versuch und auch der Landesfrauenrat Niedersachsen forderte im selben Jahr die 50:50-Regelung für Niedersachsen und legte ein Argumentationspapier als Antwort auf den Abschlussbericht der Wahlrechtsreformkommission des Bundestages vor.
Während Deutschland sich also weiterhin schwer tut, sind andere Länder schon weiter. Belgien, Frankreich, Griechenland, Irland, Kroatien, Luxemburg, Polen, Portugal, Slowenien und Spanien haben sich auf eine gesetzliche Quote geeinigt. In drei der zehn Staaten (Frankreich, Portugal und Slowenien) gingen den Wahlrechtsänderungen Verfassungsänderungen voraus.
Auch in Spanien wurde die gesetzliche Quote zunächst angefochten, doch das Verfassungsgericht schmetterte die Klage ab. Es stellte fest, dass die Quoten sinnvoll und verhältnismäßig seien, um das angestrebte Ziel zu erreichen: die Verwirklichung politischer Gleichstellung von Mann und Frau. Unter anderem verwies es darauf, dass Frauen die Hälfte der Bevölkerung darstellten und die Erhöhung des Frauenanteils in öffentlichen Ämtern dazu beitragen könne, die Identität von gewählten Repräsentanten und Repräsentierten herzustellen. Seit der Einführung des Gesetzes in 2007 stieg der Anteil der Frauen im Parlament auf zwischenzeitlich 46 Prozent.
Dass es aber auch ohne Quote funktionieren kann, zeigen Finnland und Schweden. Im schwedischen Parlament sind 47 Prozent der Abgeordneten weiblich. Das Land ist damit europäischer Spitzenreiter, gefolgt von Finnland mit einem Frauenanteil von 42 Prozent.
Schweden wird oft für seine erste feministische Regierung gefeiert. Statt einer nationalen Quote haben hier freiwillige interne Regelungen der Parteien eine lange Tradition. Viele besetzen ihre Wahllisten im Land bereits seit Ende der Siebzigerjahre mittels Quote. Daran zeigt sich: Es kommt letztlich auf den Willen der Parteien an.
Also, liebes Deutschland, im Grunde ist es egal, ob du dich an deinen Nachbarn aus dem Norden oder dem Süden orientierst, ob du etwas an den Gesetzen änderst oder an deiner Grundhaltung: Wichtig ist nur – du änderst etwas!
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