12|25 DU SIEHST HEUTE UMWERFEND KOMPETENT AUS
Bewertung von Äußerlichkeiten in politischen Ämtern
„Was haben Sie in Ihrem Koffer?“ – Bewertung von Äußerlichkeiten in politischen Ämtern
Denken Sie mal an alle Bürgermeister Ihrer Kommune, an die Sie sich erinnern können (und es ist sehr wahrscheinlich, dass es sich dabei ausschließlich um Männer handelt, denn laut aktuellen Studien haben nur 9,8 Prozent aller deutschen Kommunen eine Bürgermeisterin). Können Sie sich bei einem der Kandidaten vorstellen, dass über ihn gesagt wurde: „Der wird nur gewählt, weil er hübsch ist und irgendwie sympathisch lächelt“? Oder dass es bei Fototerminen heißt: „Der Herr Bürgermeister muss ganz nach vorne, weil das zeigt, wie offen und attraktiv unsere Gemeinde ist“? Nein? Nun, das liegt vermutlich daran, dass er keine Frau ist.
Denn von genau solchen Aussagen berichtet beispielsweise Eliza Diekmann, die 2020 Bürgermeisterin der Stadt Coesfeld wurde, in einem Beitrag von „Panorama“. „Als dann die Wahlplakate hingen – das war ein ganz normales Plakat mit meinem Gesicht und einem Lächeln drauf - hieß es, ich würde mit diesen Plakaten versuchen, die Menschen irgendwie zu manipulieren und nur darüber jetzt Wählerstimmen zu bekommen“, erzählt sie. Bei schwierigen Themen, bei denen sie ihren Standpunkt deutlich vertritt, werde dann manchmal gesagt: „Ach Mädchen, jetzt willst du es uns hier aber mal zeigen!“ Dann gehe es sehr schnell um Äußerlichkeiten und nicht mehr um politische Inhalte.
Ein Punkt, den viele Politikerinnen bestätigen können. Was eine Frau anzieht, wie sie ihre Haare trägt, sich schminkt, wie viel oder wie wenig sie wiegt – kurzum: wie sie aussieht, ist immer wieder Gegenstand von Gesprächen und Berichterstattung. Natürlich wird auch das Aussehen von Politikern diskutiert (Christian Lindner könnte wohl ein Lied davon singen) – aber kaum in dem Ausmaß. Oder könnten Sie sich eine Wahl zum „Mister Bundestag“ vorstellen? Nein? Das wäre ja auch albern, einen Volksvertreter so einer oberflächlichen Bewertung zu unterziehen, die Respekt vor dem Amt vermissen lässt? Stimmt! Aber bei Politikerinnen scheint das weniger ein Problem darzustellen, und so kürten 1965 ein paar Bonner Journalisten Ursula Krips (SPD) zur „Miss Bundestag“. Und sie blieb kein Einzelfall! Ihr folgten 1991 Dagmar Enkelmann (PDS), 1994 Dagmar Wöhrl (CSU, 1977), 2009 Agnes Krumwiede (Bündnis 90/Die Grünen) und 2013 Jana Schimke (CDU). Ach naja, das ist ja schon so lange her, das würde heute ja niemand mehr machen - denken Sie? Pustekuchen! 2021 kürte Gregor Gysi in dem Format TV Total eine FDP-Politikerin als „schärfste Biene im Bundestag“. Na, herzlichen Glückwunsch! Über ein Kompliment wie: „Sie sieht umwerfend kompetent aus!“ hätte sie sich sicher mehr gefreut.
Vielen fällt diese Ungleichbehandlung auf, aber nur wenige sprechen sie an. So wie Kristina Dunz, stellvertretende Leiterin des Parlamentsbüros der Rheinischen Post. 2018 war sie im ARD-Presseclub zu Gast, wo über die damals noch amtierende Bundeskanzlerin Angela Merkel gesprochen wurde. Das Gespräch glitt von ihrer Tätigkeit plötzlich zu ihrer Erscheinung hinüber. Stephan-Andreas Casdorff, Herausgeber des „Tagesspiegel“, glaubte, die Last ihres Amtes anhand der Falten in Merkels Gesicht lesen zu können. Kristina Dunz konterte daraufhin, dass sie sich nicht denken könne, dass jemals jemand über die Falten im Gesicht von Konrad Adenauer gesprochen habe.
Den Unterschied zwischen Männern und Frauen bemerkte auch Fränzi Kühne. Sie ist zwar nicht politisch tätig, aber als die jüngste Aufsichtsrätin eines Dax-Unternehmens hatte sie vor allem gegenüber Medien immer wieder Fragen beantworten müssen, die Männer nicht gestellt bekämen: „Was haben Sie in ihrem Koffer? Was ziehen Sie zur Hauptversammlung an? Wird man mit einem Undercut überhaupt ernst genommen?“
Auch die Bundeszentrale für politische Bildung hat sich in der Rubrik „Politik und Zeitgeschichte“ mit dem Thema auseinandergesetzt. So heißt es dort beispielsweise: „Seit Jahrzehnten gilt weltweit die Klage, die Medien seien bei Frauen stets mehr an ihrem Aussehen und ihrem Privatleben interessiert als an ihren politischen Anliegen: Was hat sie an, wie sitzt die Frisur, muss ihr Mann sein Essen nun selbst kochen und wer kümmert sich um die Kinder, während sie Politik macht? Ihre männlichen Kollegen dagegen werden mit solchen Fragen selten konfrontiert. Das bedeutet, dass für Politikerinnen Kriterien zur Bewertung herangezogen werden, die sich nicht am konkreten politischen Stil und Inhalt orientieren und bei Politikern kaum eine Rolle spielen. Solche Unterschiede in der Berichterstattung machen Frauen den Aufstieg in der Politik schwer. Wenn sie es geschafft haben, verschwinden zwar die Unterschiede nicht unbedingt, aber der Umgang mit den Medien wird leichter. Das ist wohl gemeint, wenn es für die USA heißt: getting elected, as opposed to governing, may be the biggest hurdle that a potential woman president will face."
Die Beschäftigung der Medien - und der Politikerkollegen - mit privaten Aspekten, insbesondere dem Aussehen, und damit die Einbeziehung sachfremder Kriterien in die Bewertung der Politikerinnen aktualisiert die Geschlechterstereotypen sowie gesellschaftliche Rollenerwartungen an Frauen. Das erzeugt die gleiche Wirkung wie die Assoziation von Kandidatinnen mit "soften" Themen: Sie unterstreicht, dass weibliche Kompetenz nicht in der harten Politik gesehen wird.
Ein kleines „Trostpflaster“ gibt es zum Schluss, denn mittlerweile werden auch die Politiker von der Öffentlichkeit immer öfter wegen ihres Erscheinungsbildes kritisiert – wenn auch bisher hauptsächlich in Deutschlands Nachbarländern: https://www.derstandard.de/story/2000109061840/wie-die-outfits-maennlicher-politiker-bewertet-werden
Quellen:
https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/31544/politikerinnen-bilder-im-internationalen-vergleich/
Feiertage und Aktionstage im Dezember 2025
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